Arktis 2010 Fotografieren auf einer Antarktis-Kreuzfahrt

Arktis 2010 Fotografieren auf einer Antarktis-Kreuzfahrt

Ein Bericht von Sandra Petrowitz

Pinguine. Eisberge. Kälte. Üblicherweise kommt uns irgendetwas in dieser Richtung und Reihenfolge in den Sinn, wenn wir ›Antarktis‹ hören. Und die Überzeugung: Es muss fantastisch sein, dort fotografieren zu dürfen. So ging es jedenfalls mir. Und nach einem – meiner Meinung nach natürlich viel zu kurzen – Besuch auf dem ›Weißen Kontinent‹ kann ich sagen: Pinguine! Eisberge! Und noch viel mehr. Längst nicht so kalt wie gedacht. Und ja, es ist fantastisch, dort fotografieren zu dürfen. Doch was erwartet den Fotografen oder die Fotografin nun tatsächlich auf einer Antarktis-Kreuzfahrt?

Nur vorbei oder ganz nah ran?

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Typen von Antarktis-Kreuzfahrten: ›Cruise Only‹-Kreuzfahrten, bei denen man auf einem mehr oder minder großen und häufig luxuriösen Kreuzfahrtschiff die antarktischen Regionen lediglich durchfährt, ohne das Schiff zu verlassen, und Kreuzfahrten mit Anlandungen und Ausflügen, bei denen das behutsame Erleben der Natur vor Ort im Mittelpunkt steht. Für Fotografen kommen eigentlich nur die letztgenannten Reisen in Frage. Ausflüge in Schlauchbooten und Anlandungen erweitern die fotografischen Möglichkeiten auf diesen Touren immens. Ob derartige Aktivitäten – und eventuell zusätzlich auch Kajak-Ausflüge, Tauchgänge, Wanderungen, Bergtouren, Übernachtungen an Land oder Fotokurse – bei der gewünschten Reise angeboten werden, sollte man vor einer Buchung explizit erfragen.

Expeditions-Kreuzfahrten

Die antarktische Sommersaison, in der die küstennahen Gewässer eisfrei sind, erstreckt sich von November bis März. In dieser Zeit werden die allermeisten Kreuzfahrten angeboten. Üblicherweise beginnen sie an der Südspitze Südamerikas, zumeist in Ushuaia (Argentinien) oder Punta Arenas (Chile). Auf seinem Weg in die Antarktis durchfährt das Kreuzfahrtschiff von dort aus zunächst die berühmt-berüchtigte Drake Passage, um dann in unmittelbarer Nähe der Antarktischen Halbinsel auf ruhigere Gewässer zu stoßen. Die Halbinsel ist auch das Ziel der meisten Expeditions-Kreuzfahrten; seltener werden Regionen wie das Weddellmeer oder der Bereich südlich des Polarkreises angesteuert.

Antarktis-Besucher

In der Saison 2009/2010 besuchten insgesamt knapp 37.000 Touristen die Antarktis. (Zum Vergleich: Berlin verzeichnet in einem einzigen Monat weit mehr als eine halbe Million Besucher.) Allerdings kreuzten 15.000 dieser Antarktis-Reisenden lediglich auf großen Schiffen durch die Region oder überflogen sie mit dem Flugzeug. Knapp 22.000 Urlauber entschieden sich hingegen für eine Reise mit Anlandungen, darunter auch etwa 4.000 Deutsche. Sie stellen die zweitgrößte Gruppe der Antarktis-Besucher – nur der Anteil der Gäste aus den USA ist noch höher. Dass die Zahl der Besucher insgesamt recht klein ist, hat mit der Exklusivität des Ziels, dem hohen logistischen Aufwand und der daraus resultierenden Kostspieligkeit der Touren zu tun. Auf der ›M/V Plancius‹, mit der wir unterwegs waren, kostet der Platz in einer Vierer-Kabine für eine zehn- oder elftägige Tour zur Antarktischen Halbinsel abhängig von Route und Reisezeit etwa zwischen 4.000 und 5.500 Euro.

Die Reise war keine speziell auf die Bedürfnisse von Fotografen ausgerichtete Tour, sondern eine klassische Antarktis-Expeditionskreuzfahrt. Die fotografischen Aktivitäten hatten individuellen Charakter und fügten sich in den normalen Tagesablauf einer solchen Tour ein. Es gab festgelegte Zeiten für Frühstück, Mittag- und Abendessen sowie für die Ausflüge im Schlauchboot und die Anlandungen, und auch die Vorträge des Lektorenteams hatten ihren eigenen Stundenplan. Der Umgang an Bord war sehr offen und ungezwungen, die Kleiderordnung sportlich-leger und vor allem zweckmäßig. Besuche auf der Brücke waren jederzeit problemlos möglich – es sei denn, es war gerade ein Lotse an Bord.

Innerhalb des Tagesablaufs waren die (fotografischen) Freiheiten sehr groß: Man konnte nachts um eins an der Reling stehen und die fantastischen Lichtstimmungen der hohen Breitengrade genießen, sich auf einer Schneeschuhwanderung in Absprache mit der Expeditionsleitung auf Sichtweite entfernen, um Pinguine zu beobachten, oder frühmorgens als Erster – vorsichtig – über das nach einem nächtlichen Sturm verschneite Vorderdeck tapsen, um einem Seemann bei seiner Arbeit zuzusehen…

Auf der zehntägigen Reise hatte ich eine Nikon D700 (Vollformat, FX) und eine Nikon D300 (APS-C-Format, DX) parallel im Einsatz, wobei etwas mehr als die Hälfte der Bilder mit der D300 entstanden ist. Durch die Kombination der beiden Gehäuse mit drei Zoomobjektiven (2.8/17–35, 2.8/24–70 und 2.8/70–200) ließen sich die meisten fotografischen Aufgaben abdecken. Gerade auf den Zodiac-Fahrten spielen Zooms ihre Stärke aus; Flexibilität ist bei den Schlauchboot-Touren mit ihren rasch wechselnden Blickwinkeln und unzähligen unterschiedlichen Motiven ein echter Vorteil. Mit 17 mm im Weitwinkelbereich bin ich gut zurechtgekommen, aber für die Tieraufnahmen an Land, vom Schlauchboot und vom Schiff aus hätte ich mir oft mehr Brennweite gewünscht; 400, 500 oder gar 600 mm wären schön gewesen. Meine Empfehlung wäre daher, ein relativ leichtes Telezoom bis mindestens 300 oder 400 mm einzupacken, wenn es in die Antarktis geht – zum Beispiel ein 70–300 mm, ein 80–400 mm oder 100–400 mm. Mein F4/200–400 mm hatte ich aus verschiedenen Gründen zu Hause lassen müssen; es wäre mit seinen gut drei Kilogramm und dem relativ weit vorn liegenden Schwerpunkt für mich vor allem im Schlauchboot wahrscheinlich auch nicht sonderlich gut zu handhaben gewesen. Ungeachtet dessen würde ich es beim nächsten Mal mitnehmen – und vorher für Muskelaufbau in den Armen sorgen …Ein Stativ hatte ich zwar dabei, es kam aber nicht zum Einsatz: Die Schwingungen der Schiffsmotoren hätten sich gnadenlos auf die Kamera übertragen, an Bord der Zodiacs ist zumindest für ein Dreibein kein Platz, und an Land kann man immer auch etwas anderes unterlegen. Mir ist klar, dass ich mit dem Verzicht auf Stativunterstützung ein Stück Schärfe opfere und wahrscheinlich auch eine ganze Reihe Chancen für eine bessere Bildgestaltung vergebe, aber nach meinem Dafürhalten gleichen die größere Flexibilität und Spontaneität beim Fotografieren aus der Hand diese Nachteile mehr als aus.

An sonstigem fotografischem Zubehör kamen Polfilter (und die Streulichtblenden der Objektive) zum Einsatz. Ein robuster Fotorucksack, idealerweise wasserdicht oder wenigstens mit einer Regenhülle versehen, ist zum Transport der Ausrüstung empfehlenswert.

Gute Handschuhe sind Pflicht. Mit dünnen Fingerhandschuhen aus Wolle oder Fleece, die sich bei Bedarf durch wasserdichte Überhandschuhe oder einen Expeditionsfäustel ergänzen lassen, habe ich die besten Erfahrungen gemacht. Im antarktischen Sommer herrschen ähnliche Witterungsbedingungen wie bei einem mitteleuropäischen Skiurlaub – von strahlender Sonne bis zu dichtem Nebel, von Windstille bis Orkan, von heftigem Schneefall bis hin zu kristallklarer Luft ist alles möglich. Entsprechend vielseitig kombinierbar sollte die Bekleidung sein (Stichwort: Zwiebelprinzip). Mütze und/oder Sturmhaube, Schal und Sonnen- oder Skibrille sind ein Muss; falls mal etwas nass wird oder kaputtgeht, macht sich ein zweites Exemplar gut.

Bewährt haben sich eine erste Bekleidungsschicht aus Kunstfaser oder Merinowolle (Vorteile der Naturfaser: stinkt praktisch nicht und hält auch feucht noch warm), eine oder mehrere Isolationsschicht(en) aus Fleece, Kunstfaser oder Daune sowie eine strapazierfähige, atmungsaktive, wind- und wasserdichte dritte Schicht (Gore-Tex oder vergleichbare Materialien). Es wird in aller Regel nicht so kalt, wie man sich das gemeinhin vorstellt; als wir Mitte Dezember unterwegs waren, hatten wir oft Temperaturen von einigen Grad über Null, bei schönem Wetter und Windstille auch mehr. Den Einfluss des Windes sollte man allerdings nicht unterschätzen, genauso wenig die rasch wechselnden und lokal sehr unterschiedlichen Witterungsverhältnisse.

Als ideales Schuhwerk haben sich hochwertige Gummistiefel erwiesen, die den Gästen auf der ›Plancius‹ kostenfrei leihweise zur Verfügung gestellt werden. Ein Paar dünne Polypropylensocken, ein Paar dicke Woll- oder Skisocken, fertig sind die trockenen und warmen Füße. Auch die ebenfalls kostenlos auszuleihenden Schneeschuhe lassen sich problemlos an den Gummistiefeln fixieren, verhindern ernsthafte Verletzungen im tiefen, verharschten Schnee und erleichtern das Vorwärtskommen erheblich – ganz abgesehen davon, dass man nicht zum Verursacher pinguingroßer Löcher wird, in die ein unachtsamer Frackträger hineinfallen könnte. Für den Aufenthalt an Bord reichen Sportschuhe. Ein faltbares Sitzkissen macht sich ganz hervorragend, wenn man sich zum Fotografieren oder Beobachten im Schnee oder auf Steinen niederlassen möchte. Und zumindest ein kleines Fernglas findet sicher auch einen Platz im Gepäck.

Vielleicht noch etwas zur persönlichen Verfassung in den ersten Tagen der Reise: Es dauert eine Weile, bis man sich an die Schiffsbewegungen gewöhnt hat. Während und kurz nach der Fahrt durch die Drake Passage kann es durchaus vorkommen, dass sich der persönliche Zustand auch aufs Fotografieren auswirkt. Dann hilft nur viel Geduld mit sich selbst – und nicht aufzugeben, auch wenn Wetter und Licht bei der ersten Anlandung enttäuschend sein sollten und die Bilder noch nicht so werden, wie man sie sich erhofft hat.

Pinguine, Robben, Eisberge, Gletscher – das ist es, was man allgemein mit der Antarktis in Verbindung bringt. Doch die fotografischen Möglichkeiten auf einer solchen Reise sind noch viel größer: Reportageszenen vom Schiffs- bzw. Kreuzfahrtalltag, Makroaufnahmen von winzigen Flechten und den faszinierenden Strukturen der Eisberge, Farb- und Formstudien, dokumentarische Aufnahmen von der Übernachtung im Biwaksack oder Zelt an Land, grafisch reduzierte Eindrücke von Wanderungen und Kajakfahrten, Porträts der Reisenden, die Dokumentation einer unerwarteten Hochzeitsfeier mitten im ewigen Eis… All das bot sich innerhalb von wenigen Tagen, und die Aufzählung ließe sich noch ein ganzes Stück verlängern. Die tierischen Stars der Antarktis sind unbestritten die Pinguine. Acht verschiedene Arten leben in der Antarktis und auf den subantarktischen Inseln, und sie alle geben erstklassige Models ab. Darüber hinaus hat die Pinguin-Beobachtung ganz eindeutig therapeutische Wirkung: Wer den Tieren eine Weile zusieht und ihren aus voller Kehle vorgetragenen Lautäußerungen zuhört, fängt irgendwann unweigerlich an zu schmunzeln, dann zu lachen, und die gute Laune hält noch lange nach dem Ende der Begegnung an. Die Tiere sind nicht übermäßig scheu, mitunter sogar regelrecht neugierig auf die merkwürdig aussehenden Kumpels, die da zu Besuch kommen.

Robben und Wale hingegen bekommt man nicht unbedingt aus allernächster Nähe zu Gesicht; wir sind ihnen jedenfalls vor allem auf Schlauchboot-Ausflügen und bei der Schiffsreise selbst begegnet. Krabbenfresser, Weddell-Robben und Seeleoparden ruhen sich häufig auf Eisschollen von ihren langen Tauchgängen aus und sind dann prächtige Motive. Wale haben wir nur aus relativ großer Entfernung beobachten können, aber selbst dann ist die abtauchende Fluke eines Buckelwals eine beeindruckende Erscheinung. Albatrosse und Sturmvögel sind ständige Begleiter des Schiffes, schon lange bevor der erste Eisberg in Sicht kommt. Am Heck stehend, kann man stundenlang ihre Flugbahnen studieren und versuchen, Wendigkeit und Eleganz der Flugkünstler im Bild festzuhalten. In Küstennähe sind häufig auch andere Vogelarten wie Sturmseeschwalben, Möwen, Skuas und Blau- augenscharben anzutreffen. Die antarktischen Landschaften sind ein unvergleichliches Spielfeld für alle ambitionierten Fotografen. Eisberge in den verrücktesten Formen und den ausgefallensten Blau-, Weiß- und Grautönen erweisen sich ebenso als unendlich vielseitige Motive wie Gletscherbrüche, meterhoch mit Schnee bedeckte Inseln, schroffe Berge, endlose Eisschollenfelder oder das Zusammenspiel von dunklem Wasser und weißem Gletschereis.

Sonnenschein lässt die antarktische Welt und ihre Farben intensiv leuchten; dank der klaren Luft und der tiefen Temperaturen wirkt sie dann mitunter wie ein zartes, kristallenes, fast schon überirdisches Kunstwerk. Die unterschiedlichen Blautöne in den Spalten der Gletscherbrüche kommen allerdings bei bedecktem Himmel besser zur Geltung; eine herrlich melancholische Stimmung legt sich dann unter einer hellgrauen Wolkendecke über die Umgebung. Die Lichtstimmungen der hohen Breitengrade unterscheiden sich erheblich von jenen in Mitteleuropa. Dank der vergleichsweise flach stehenden Sonne herrscht praktisch den ganzen Tag über bestes Fotolicht, und die großen Schneeflächen wirken wie riesige Reflektoren. Wenn am späten Abend die Sonne unter den Horizont sinkt, um nur wenige Stunden später wieder aufzugehen, leuchten ihre Strahlen noch lange intensiv nach. Wer es noch nie gesehen hat, wird nicht glauben, dass es ein solches Licht wirklich gibt…

Man kann gar nicht genug Speicherkarten dabeihaben. Die Motive sind ebenso einmalig wie das Licht, und die allergrößte Gefahr ist nach meiner Erfahrung, dass man seinen dringend nötigen Schlaf dafür opfert, Bild um Bild von all den Naturschönheiten zu machen, die einen umgeben. Die Bedingungen zum Fotografieren in der Antarktis waren auf unserer Tour deutlich besser als erhofft, sowohl von den Gegebenheiten vor Ort als auch von den Witterungsbedingungen her – auch wenn sich Letzteres kaum beeinflussen lässt, es sei denn durch einen von Kapitän und Expeditionsleitung beschlossenen Standortwechsel. Zu guter Letzt noch ein Hinweis zum Preis-Leistungs- Verhältnis: Ja, die Reisen sind sehr teuer – aber sie sind meiner Meinung nach jeden Cent wert, nicht nur in fotografischer Hinsicht. Und hat neben unvergesslichen Eindrücken fotografische Erinnerungen im Gepäck, die einen ganz besonderen Platz in der eigenen Bildersammlung einnehmen werden – für immer.

Sandra Petrowitz (* 1978) hat als Journalistin gleich drei ihrer Leidenschaften zum Beruf gemacht: Schreiben, Fotografieren und Reisen. Ihre Reisereportagen, Artikel und Bilder erscheinen in Tageszeitungen, Magazinen und im Internet.

www.sandra-petrowitz.de

Jörg Ehrlich (* 1970) hat die Fotos dieser Reportage mit folgender Ausrüstung aufgenommen: – Canon 5D mark II – Canon 40D – Canon 24-105mm – Canon 100-400mm – Canon 10-22mm – Sigma 150-500mm

Der Textbeitrag wurde freundlicherweise vom dpunkt.verlag zur Verfügung gestellt und ist im Fotoespresso 1-2011 zu lesen.

“Wer als naturbegeisterter Reisender in die Antarktis fährt, kommt als Botschafter dieses unglaublich schönen Kontinents zurück.”

Sandra Petrowitz

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